Wohnen neu denken

TU-Studie untersucht „Transformation des Wohnens in Deutschland“

2024/10/23 von

So wohnen wir in Zukunft: Das Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre der TU hat in einer zusammenfassenden Studie untersucht, wie sich die Wohnbedürfnisse und -präferenzen der Deutschen angesichts (Sub-)Urbanisierung, steigender Wohnkosten, staatlicher Eingriffe, Digitalisierung, soziodemografischen Wandels und wachsenden Umweltbewusstseins verändern. Es zeigt sich, dass der Wohnimmobilienmarkt vor tiefen strukturellen Veränderungen steht.

„Der soziodemografische Wandel zwingt die Deutschen dazu, das Wohnen neu zu denken“, sagt Professor Andreas Pfnür, der Leiter des Fachgebiets.

Die aktuelle Studie (wird in neuem Tab geöffnet) entstand in Zusammenarbeit mit dem Baufinanzierungsvermittler Baufi24 und umfasst verschiedene Teilstudien, die nun in einer Metaanalyse zur Transformation des Wohnens in Deutschland gebündelt wurden. Die Wissenschaftler:innen analysieren darin nicht nur die Veränderungen des deutschen Wohnungsmarkts, der zu 78 Prozent von privaten Haushalten getragen wird, sondern geben auch Handlungsempfehlungen für die öffentliche Hand, die Immobilienwirtschaft und private Haushalte ab.

Es zeichnen sich Megatrends ab, mit denen die Haushalte/Menschen auf den Veränderungsdruck am Markt zu reagieren versuchen.

Viele Haushalte wünschen sich flexiblere Wohnkonzepte, die sich an individuelle Lebensphasen anpassen. Die Befragten sehen in der Flexibilisierung der Wohnfläche einen entscheidenden Hebel zur Senkung der Wohnkosten: Alternative Modelle wie Clusterwohnen oder Microliving bieten mögliche Lösungen, und rund 55 Prozent der Befragten sind grundsätzlich auch bereit, sich bei der Wohnfläche zu verkleinern. Gleichzeitig zeigt die Studienreihe, dass der ländliche Raum immer attraktiver wird. Steigende Wohnkosten und ein wachsendes Umweltbewusstsein treiben 67 Prozent der Befragten aus den Städten hinaus aufs Land.

Ökologische Sanierung im Fokus

Auch die ökologische Sanierung von Wohnraum rückt stärker in den Fokus. Viele Deutsche möchten in nachhaltige Technologien wie Solaranlagen oder Wärmepumpen investieren, 81 Prozent der Befragten wollen zukünftig so wenig Energie wie möglich fremdbeziehen und damit energiesouverän wohnen. Doch für viele Haushalte sind die Grenzen des Bezahlbaren bereits erreicht. Mehr als 40 Prozent der Befragten wenden mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten auf. Die hohe Bereitschaft zu ökologischer Sanierung wird häufig durch zu hohe Wohnkosten konterkariert. Insbesondere das geplante Verbot von Öl- und Gasheizungen birgt sozioökonomische Risiken.

Der Trend zur Digitalisierung des Wohnens bleibt ungebrochen. Smart-Home-Technologien, vor allem im Energiemanagement, könnten dabei helfen, Kosten zu senken. 74 Prozent der Befragten planen, digitale Technologien zur Optimierung ihres Energieverbrauchs zu nutzen. Doch die unzureichende digitale Infrastruktur, vor allem auf dem Land, stellt eine große Hürde dar.

Es braucht nicht mehr Neubau, um der aktuellen Wohnungsknappheit zu begegnen. Entscheidend ist die effizientere Nutzung des Bestands. Der Wohnraum ist da, er wird nur nicht effizient genutzt.

Die Studienergebnisse zeigen außerdem, dass mehr als die Hälfte der befragten Haushalte staatliche Maßnahmen als hinderlich für die Schaffung ihrer gewünschten Wohnsituation ansehen. Die Politik müsse weg von einer restriktiven Eingriffsstrategie, so Pfnür: „Nur so können wir den eingefrorenen Immobilienmarkt wieder wecken und die dringend benötigten Anpassungen im deutschen Wohnungsmarkt vorantreiben.“ Wohnimmobilien seien der am schlechtesten allokierte Vermögensgegenstand in Deutschland. Dies bekommt vor allem angesichts des Wohnraummangels Bedeutung. „Es braucht nicht mehr Neubau, um der aktuellen Wohnungsknappheit zu begegnen. Entscheidend ist die effizientere Nutzung des Bestands. Der Wohnraum ist da, er wird nur nicht effizient genutzt“, bilanziert Pfnür.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Metastudie, dass sich das Wohnen in Deutschland künftig in stark unterschiedliche Richtungen entwickeln wird, abhängig vom Einkommen der Haushalte. Es bedürfe Anstrengungen insbesondere der Politik, um Wohnen in Deutschland nachhaltig, bezahlbar und lebenswert zu gestalten, so ein Fazit der Untersuchung. Der Staat habe eine wichtige Rolle, aber sein Handeln werde von etwa der Hälfte der Befragten als kontraproduktiv bewertet. Gefragt sei eine Kehrtwende weg von ordnungspolitischen Eingriffen hin zu marktwirtschaftlichen Anreizen.

Die Studie „So wohnen wir in Zukunft: Eine Metaanalyse zur Transformation des Wohnens in Deutschland“ (wird in neuem Tab geöffnet) formuliert klare Handlungsempfehlungen:

  • Förderung der Finanzierung ist nicht genug – die öffentliche Hand muss an der gesamten Wertschöpfungskette ansetzen, um die aktuellen Probleme zu lösen
  • Eine stärkere Berücksichtigung von Wohnen im Politikprozess ist erforderlich
  • Notwendigkeit zur Stärkung von Wohneigentumsbildung
  • Fehlallokation der Wohnflächen stoppen
  • Klimaschutz im Wohnen muss bezahlbar sein
  • Bedarfsgerechte Verteilung der Wohnfläche
  • Flexibilisierung des Wohnens als Quelle innovativer Geschäftsmodelle und Produkte
  • Die steigende Nachfrage nach flexiblen und innovativen Wohnkonzepten erfordert neue Betreiberkonzepte in der Immobilienbranche
  • Bedarf an neuen, innovativen Dienstleistungsangeboten rund um die Immobilie steigt
  • Frühzeitige Planung als Schlüssel der Transformation im Wohnen
  • Neue Finanzierungsangebote als Lösung der sich ändernden Kundenanforderungen
  • Nutzen-Kosten-Verhältnis der eigenen Wohnsituation in den Fokus rücken
  • „Weniger ist oftmals mehr!“: Durch eine frühzeitige Planung und sorgfältige Gestaltung der eigenen Flächennutzung können Haushalte nicht nur ihre Wohnkosten senken, sondern auch ihre Wohnflächen effizienter nutzen
  • Durch die Flexibilisierung der eigenen Wohnung können Haushalte ihre Wohnsituation an ihre Bedürfnisse anpassen
  • Smart-Home-Technologien als Lösung für Kosteneinsparungen und Simplicity & Komfort
  • Investitionsentscheidungen müssen gut überlegt sein; Bedarf an ganzheitlichem Investitionsansatz, der durch den Staat gefördert werden sollte